Zeitungsartikel aus dem St. Galler Tagblatt über Patientenverfügung

«Oft sind Menschen nicht lebensmüde, sondern leidensmüde»: Cécile Altmann unterstützt in Lichtensteig Personen in der Selbstbestimmung

Cécile Altmann berät in Lichtensteig beim Erstellen einer Patientenverfügung. In den Gesprächen geht es um das Lebensende und wie dieses bei Urteilsunfähigkeit gestaltet werden soll.

 

Das Leben ist endlich. Der Tod gehört zum Leben wie die Geburt. Für viele Menschen ist sogar der Tod eine Geburt, ein Übergang in eine andere Dimension. Doch davor gibt es einige handfeste Dinge, die geregelt werden sollten. Dazu gehört etwa die Patientenverfügung (PV) und damit verbunden die Auseinandersetzung mit der medizinischen Behandlung, die man bei Entscheidungsunfähigkeit wünscht oder auch nicht. Auch die Art, wie man in den Tod begleitet werden möchte und was danach mit dem Körper passieren soll, werden oft als Wunsch in einer PV festgehalten.

Cécile Altmann ist als diplomierte Pflegefachfrau, Beraterin in ethischer Entscheidungsfindung im Gesundheitswesen und Beraterin für das Erstellen von PV vor einigen Monaten in Frühpension gegangen. Aufgrund vieler Anfragen bietet sie die Beratung für das Erstellen einer PV weiterhin an. Eigenständig und professionell in Lichtensteig.

Erfahrung mit Ethik im Gesundheitswesen

Das Gespräch mit Cécile Altmann aus Nesslau findet in Lichtensteig im Macherzentrum statt, in den Räumen der ehemaligen Post. Coworking ist hier möglich, Sitzungen, Zusammenkünfte aller Art. Mitarbeiter des Zukunftsbüros und des Macherzentrums hatten Cécile Altmann ermutigt, den selbständigen Weg zu gehen und waren behilflich, den Raum für ihre Beratungen zu finden. Im Stadthaus an der Hauptgasse 8 in Lichtensteig hat sie das Ideale gefunden. Sie ist überzeugt:

«Lichtensteig liegt in der Mitte des Toggenburgs und für alle gut erreichbar.»

Sie hat eine überschaubare Webseite entwickelt und Flyer gestaltet, die über ihr Beratungsangebot informieren. Dieses gründet auf ihrer langjährigen Erfahrung als Expertin in ethischen Fragen an den beiden Spitalstandorten Wattwil und Wil, als Mitglied des Ethikforums des Kantons St.Gallen, als Pflegefachfrau auf einer interdisziplinären medizinischen Abteilung und einer onkologischen Tagesklinik mit erwachsenen Patienten. Sie hat die Beratung rund um die PV aufgebaut und Weiterbildungen zu diesem Thema geleitet.

«Ethik im Gesundheitswesen bedeutet, die Moral zu reflektieren, den Weg der Behandlung und Handlungen zu hinterfragen. Die vier Säulen der bioethischen Prinzipien sind: Autonomie, Gutes tun, Schaden vermeiden und Gerechtigkeit», gibt die Fachfrau einen Einblick in die Auseinandersetzung von interdisziplinären Teams in den Spitälern. Bei solchen Sitzungen moderierte Cécile Altmann jeweils die Konsilien, die zu einem für alle Berufsdisziplinen vertretbaren Behandlungsweg führen sollten. Es könne auch sein, dass das Behandlungsteam zum Schluss komme, dass der begonnene Behandlungsweg angemessen sei und fortgesetzt werden soll.

In jedem Alter und jeder Lebenssituation sinnvoll ist eine Patientenverfügung sinnvoll

Viele Menschen möchten sich mit der Patientenverfügung auseinandersetzen. Cécile Altmann stellt fest:

«Im Coronajahr ist dieses Thema auch immer wieder öffentlich angesprochen worden und doch tun sich viele schwer damit.»

In einem Beratungsgespräch für das Erstellen oder Ändern einer PV kann sie Chancen und Grenzen dieses Dokumentes aufzeigen, offene Fragen klären und über Themen bezüglich Lebensende reden, die möglicherweise in der Familie nie auf den Tisch gekommen sind. Als Motivation, das Thema anzugehen, macht sie bewusst, dass es seit 2013 gesetzlich verankert ist, dass der Arzt nichts ohne das Einverständnis des Patienten machen darf und wenn dieser nicht mehr entscheidungsfähig ist, werden die Angehörigen mit in die Verantwortung eingebunden.

«Diese Verantwortung möchten viele ihren Kindern nicht aufbürden und füllen deshalb eine Patientenverfügung aus. Ich habe immer wieder erlebt, wie das Gespräch darüber und die Umsetzung entlastet», sagt Altmann. Grundsätzlich gebe die PV die Richtung der Behandlung und Betreuung an. Im Notfall stünden jedoch immer lebensrettende Massnahmen an erster Stelle. Danach richte sich der Arzt nach der PV, sofern dies aus medizinischer Sicht vertretbar sei.

Die PV könne ermutigen, den eigenen Weg zu gehen und den Angehörigen ermöglichen, ihre Rolle in der letzten Lebensphase zu finden.

«Bei jungen Menschen sind die Ängste und Themen etwas anders.»

Die Begleiterin ermutigt in herausfordernden Fragen: «Auf jeden Fall kann eine Patientenverfügung in jedem Alter und in jeder Lebenssituation erstellt werden, vorausgesetzt, der betroffene Mensch ist entscheidungsfähig.»

Formular herunterladen und Fragen einer Patientenverfügung durchgehen

Als Vorbereitung auf das Beratungsgespräch rät Cécile Altmann, eines der Formulare auf ihrer Seite herunterzuladen, die Fragen durchzugehen und die eigenen Fragen zu notieren. Sie selber war bei der Entwicklung des Formulars der Spitalregion Fürstenland Toggenburg massgeblich beteiligt. Ideal findet sie es, die Familie miteinzubeziehen.

Über Wertvorstellungen und den eigenen Lebensentwurf sollte ebenfalls nachgedacht werden. Geht es um Qualität oder Quantität?

«Menschen sollten die Chance bekommen, sterben zu dürfen und mitzuteilen, wenn ihnen das ‹Leben um jeden Preis› wichtig ist.»

Sie sollten über die Dauer und die Qualität der eigenen Lebenslinie mitbestimmen. «Oft sind sie nicht lebensmüde, sondern leidensmüde.» Die erfahrene Frau, die es gewohnt ist, über das Leben und Sterben zu reden und gerne zwischenmenschliche Auseinandersetzungen führt, erzählt von berührenden Beispielen und überraschenden Wendungen. Und es wird bewusst: Jeder Mensch hat seinen eigenen Lebensweg und individuell ist auch das Lebensende. Eine Patientenverfügung kann jedoch alle Beteiligten entlasten.